... So meinte man, jähe Entschlossenheit dem blauen Samt anzusehen, eine Stimmung der Zugänglichkeit im weißen Taft zu erkennen, und glaubte, etwas wie letzte, vornehme Reserviertheit in der Art, etwa den Arm aus
zustrecken, habe, um recht sichtbar zu werden, den strahlenden Glanz des Lächelns, von dem die ganz großen Opfer begleitet sind, in der Gestalt von schwarzem Crepe de Chine angelegt. Gleichzeitig aber fügte diesen so le-
bendig wirkenden Kleidern das Raffinement der ‚Garnituren' ohne praktischen Nützlichkeitswert und ohne sichtbaren Grund überhaupt etwas Selbstloses., Nachdenkliches und Geheimes hinzu . . fand man alt,* dem Kleide selbst ein farbiges Muster, das sich auf' einem Einsatz aus anderem Material fortsetzte, etwa eine Reihe kleiner Seidenknöpfe, die nichts knöpften und auch nicht aufgeknöpft werden konnten, oder einen Soutachebesatz
Diese und ähnliche Textstellen Marcel Prousts haben sich mir vor Leo Kandis jüngsten Fotografien geradezu in den Weg gestellt — obwohlProust von weiblicher Kleidung spricht und Kandl vor allem männliche thematisiert, obwohl der Dichter mit der Trägerin des Beschriebenen vertraut war, der Fotograf „namenlose", vom Trödler stammende Objekte vor sich hat. Marcel Prousts Blick auf Kleidungsstücke ist geprägt vom Fluß der Gedanken, die zwischen dem Konstatieren materieller Gegebenheiten und Reihen von weit schweifenden Assoziationen pendeln. Sie finden bestimmte Charakterzüge im Arrangement der Kleidung bestätigt, wandern zur verselbständigenden Interpretation von Details, um in Erinnerungen zu münden. Vor allem jene Bilder mit knappen Ausschnitten, die keinen Blick auf den Hintergrund freigeben, wo Oberflächenstruktur und Volumen, Schnitt und Muster nicht nur die Bildfläche füllen, sondern wir mit ihr verschmelzen, scheinen den Betrachter in ähnlicher Weise zu führen wie die Sätze Prousts. Wir sind so nahe, daß wir den Überblick verlieren, über der Anhäufung von Details bleibt uns schmerzlich bewußt, nur mit einem Ausschnitt konfrontiert zu sein. Die Fülle an Informationen kann jederzeit in ein abstraktes Muster umschlagen. Hier wölbt sich eine Reihe unterschiedlich tiefer Falten, kerben sich Nähte wie mit dem Messer gezogene Schnitte in die rauhe Stofflichkeit des Tweed, stoßen Muster aus mehreren Richtungen aufeinander. Hier werden auch der Tast- und vielleicht der Geruchsinn angesprochen, als könnten Finger über das grobe Gewebe gleiten ...
Text: © Monika Faber